Rialta - Der kleinste je gebaute Winnebago überzeugte mit deutscher Technik. (Foto: det)

Rialta - Der kleinste je gebaute Winnebago überzeugte mit deutscher Technik. (Foto: det)

Wohnmobil-Oldtimer – Winnebago Rialta

Historisches, Oldtimer, USA

“Made in Germany” steht in Amerika schon immer hoch im Kurs. Ein „Folkswägen“ ist in den USA trotz Diesel-Skandal immer noch das Synonym für unzerstörbare Qualität. Anfang der 90er Jahre verwirklicht die Firma Winnebago die Synthese aus deutscher Basis und amerikanischem Luxus.

Caravan Salon 1994, Fachpresse wie Publikum staunen Bauklötze. Ein „Star is born“, möchte man Winnebago zurufen, so gelungen ist die Erscheinung des Rialta. Zweifellos einer der schönsten Teilintegrierten der Düsseldorfer Ausstellung vor fast 25 Jahren.

Vor allem aber war es eine Riesenüberraschung, ist man doch von den Amis bislang nur überdimensionierte Reiseappartements mit schluckfreudigen Hubraummonstern gewohnt. Doch diesmal haben die Designer jenseits des großen Teichs eine nahezu grazile Schönheit kreiert, die sich wunderbar der VW T4-Basis anschmiegt. Neu war das Konzept allerdings nicht, denn Winnebago hatte schon im Jahr 1983 den Le Sharo auf Basis des Renault Trafic mit ähnlichem Aufbau und Grundriss vorgestellt. Baugleich gab es in den USA den Itasca Phasar, der bis 1992 gebaut wurde.

Deutsch-amerikanische Freundschaft

Der Rialta ist ein echter „Eye-Catcher“. Lang, schlank, weiß, kaum zweieinhalb Meter hoch mit eleganten Übergängen an Dach und Fahrerhaus. Dabei hat man in Forest City von der VW-Basis nur den Triebkopf übrig gelassen. Der massive Metallkäfig für den Aufbau ruht auf einem Winnebago Tiefrahmenchassis und wird mit GfK-Teilen beplankt.

Meisterhaft gelungen sind die Formteile für den Übergang von Fahrerhaus zur Kabine. Kein Wunder, dass dem schnittigen Mobil überall mit offenem Mund nachgeschaut wird, das Design des Rialta ist allererste Sahne – auch nach heutigen Maßstäben noch!

Amerikanischer Van durch und durch

Im Innenraum setzt sich der Van-Charakter fort. Typisch amerikanischer Luxus mit prallen Einzelsitzen hinter dem Fahrhaus und einer gemütlichen Sitzgruppe im Heck. Überaus pfiffig – weil enorm platzsparend –  die Sanitärraumkonstruktion: Wird das stille Örtchen zu Sitzungen gebraucht oder soll geduscht werden, lässt sich die Nasszelle mitsamt ihrer Tür bis zur Fahrzeugmitte ausziehen. Die Duschwanne ist unauffällig unter einer Abdeckung im Boden versteckt. Ein Richtung weisendes Konzept, wie wir aktuell wissen.

Luxuriös ausgestattet

Wie bei klassischen US-Vans üblich, ist der gesamte Innenraum von oben bis unten üppig mit täuschend echtem Lederimitat bezogen und der Boden mit rosa-flauschigem Teppich belegt. Wie die Amis das nur hinkriegen? Sieht aus wie Leder, riecht wie Leder, fühlt sich an wie Leder – und ist Skai und dazu noch tadellos verarbeitet.

Alle Fenster und Luken zum Öffnen sind, ebenso wie die Eingangstür, mit Mückengaze ausgerüstet, klapperfreie Stoff-Jalousien schützen vor neugierigen Blicken. Um zu heißen Nächten vorzubeugen, haben die Winnebago-Techniker ihrem “Kleinen” eine Dachklimaanlage für den Wohnraum spendiert, die allerdings nur im Zusammenhang mit dem optionalen 220-Volt Generator sinnvoll erscheint.

Im Fahrbetrieb sorgt eine Motorklimaanlage für angenehmes kühles Ambiente. Etwas mickrig fallen dagegen die Staumöglichkeiten für die im Prospekt anvisierten vier reiselustigen Personen aus. Aber ganz ehrlich, dafür ist der Rialta auch nicht gedacht: Ein Van für vier Mitfahrer und  im Urlaub ein Reisemobil für Zwei – das scheint für den Rialta die optimale Lösung für Alltag und Reise zu sein.

Toll zu fahren

Apropos Reisen, damalige Testfahrer sind von den Vorzügen der deutsch-amerikanischen Kooperation begeistert. „Der Rialta liegt mit seinem Tiefbettchassis wie ein Brett auf der Straße, ist dank seiner Aerodynamik windunempfindlich und trotz seiner 6,30 Meter Länge sehr übersichtlich im täglichen Handling“, heißt es in einem über 20 Jahre alten Test von uns.

Dazu trägt sicher auch die riesige Panoramascheibe im Heck bei. Für Fondpassagiere bringt sie nicht nur eine Aussicht wie im Autokino, sondern dient mit einer Notöffnung noch als “letzten Ausstieg”. Das ist in den USA so vorgeschrieben, einen Notausstieg braucht jedes Mobil. Lediglich der etwas schwachbrüstige Fünfzylinder Diesel mit seinen schlappen 78 PS konnte die damalige Fachpresse nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Deshalb laufen die meisten Rialtas in den USA mit der V6-Maschine und 150 PS.

Echtes Manko – Der Preis

Der größte Wermutstropfen war allerdings der Preis: Stolze 124.000,- D-Mark mussten für einen komplett ausgestatteten Rialta auf die Ladentheke geblättert werden. Es war halt schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Info: www.winnebagoind.com

TECHNIK KOMPASS WINNEBAGO RIALTA
Hersteller: Winnebage Industries, Forest City, U.S.A.
Basis: VW Transporter T4
Motor/Getriebe: 2,4 Turbo-Diesel, 58 kW / 78 PS, Hubraum 2.400 ccm, max. Drehmoment 230 Nm, Euro 4 mit Dieselpartikelfilter, ABS. Fünfgang-Handschaltung, Vorderradantrieb
Fahrgestell: Original, Radstand: 3.861 mm, Anhängelast: ungebremst 700 kg, gebremst 1.000 kg
Wohneinheit: Aufbau in GfK-Sandwich-Bauweise und GfK-Formteilen
Sitz-/Schlafplätze: 4/4
Kabinenbauweise: Sandwich GfK, Gasheizung mit Warmluftanlage, Heißwasser 10 l, Frisch- Abwasser: Tanks 60/50 + 23 l, Gasvorrat: Gastank 25 kg, Bordakku, Gaskocher, Spüle, Kühlschrank 45 l, Sanitärraum schiebbar zum Raumbad mit Klappwaschbecken und Festtoilette mit Tank
Maße & Gewichte Masse im fahrbereiten Zustand: 2.500 kg, technisch zulässige Gesamtmasse: 3.175 kg, Zuladung: 675 kg
Außenmaße L x B x H 6.300 x 2.235 x 2.520 mm
Bettenmaße Frontbett: 1.930 x 1.140 mm, Heckbett 1.930 x 1.220 mm
INFO WINNEBAGO RIALTA
In den USA war der Rialta ein Volltreffer, erst 2004 verließ der letzte Teilintegrierte die Werkshallen. Hierzulande hingegen floppte das luxuriöse US-Konzept. Nur vier Jahre lang war der kleine Winnebago mit mäßigem Erfolg im Angebot. Einerseits zweifellos dem hohen Einstiegspreis geschuldet. Hinzu kam, dass bei Winnebago Europe, seinerzeit unter der Leitung von Roman Bock, Mitte der 90er Jahre die Lichter endgültig ausgingen. Die amerikanische Firmenzentrale beackerte das europäische Reisemobilfeld nun wieder in Eigenregie und konzentrierte sich nur noch auf „Dickschiffe“. Und so verschwand der Rialta genauso plötzlich wieder vom deutschen Markt, wie er aufgetaucht war. Im europäischen Ausland tauchen vereinzelt Rialta-Offerten jüngerer Baujahre auf, allerdings handelt es sich hierbei im Einzelimporte von Enthusiasten.