Lässt sich die Laune nicht verderben: Heidrun Müller vom Gitzenweiler Hof in Lindau. (Foto: S. Blanz}

Lässt sich die Laune nicht verderben: Heidrun Müller vom Gitzenweiler Hof in Lindau. (Foto: S. Blanz}

Interview – Camping mit Corona – Bodensee-Botschafterin Heidrun Müller im Gespräch

CIVD, Corona, Handel, Marktzahlen, Menschen, Verbände

Die Berichterstattung über die Corona-Krise und die Folgen für Camping und Camper dreht sich meistens um die Entscheidungen von Politik und Verwaltung, oder die Folgen für Endverbraucher. Welche Auswirkungen aber hat die Corona-Krise auf Campingplatz-Betreiber und ihre Mitarbeiter? Das D.C.I. hatte Gelegenheit, mit Heidrun Müller vom Gitzenweiler Hof in Lindau zu sprechen.

Gecampt wird auf dem “Gitze” seit 60 Jahren, Heidrun Müllers Familie betreibt den bekannten und beliebten Platz seit 25 Jahren – das Jubiläumsfest musste jedoch abgesagt werden. Darüber hinaus ist Heidrun Müller als Beraterin auf dem chinesischen Markt tätig und engagiert sich als Botschafterin für die Bodensee-Region. Sie gibt uns einige Einblicke in die historisch einmalige Situation.

D.C.I.: Welche Folgen hatte der Lockdown kurz vor Saisonbeginn für Ihren Betrieb?

Heidrun Müller: Die Schließung, denn wir hatten dieses Jahr bereits geöffnet. Kein Campingspaß für unsere Kunden, keine Einnahmen für den Betrieb. Gäste, Mitarbeiter und ich als Gastgeber waren frustriert. Wir mussten erst lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Ein Lockdown bringt schwere Zeiten. Welche Auswirkungen das haben wird – bezogen auf Gesundheit und Wirtschaft – können wir zuverlässig erst nächstes Jahr sagen.

D.C.I: Wie verliefen die Vorbereitungen für den Restart am 30. Mai?

Heidrun Müller: Das war nervenaufreibend. Am schlimmsten waren die Ungewissheit und all die offenen Fragen. Wann dürfen wir öffnen? Zu welchen Konditionen wird wieder hochgefahren? Welche Auflagen sind zu erbringen? Können wir das überhaupt leisten? Und dann so scheinbar Nebensächliches wie: Findet sich überhaupt ein Lieferant für Desinfektionsmittel? Das lief dann bei uns so: Bereits im Februar, als die Lage in China und Wuhan so extrem war und auch langsam nach Europa überschwappte, haben wir bereits begonnen, uns vorzubereiten und Desinfektions-Spender zu bestellen. Diese wurden dann glücklich am 28. Mai 2020 – also zwei Tage vor der Wiedereröffnung – geliefert. Zeitgleich mit den Anweisungen des bayerischen Innenministeriums.

D.C.I: Wie sind aus Ihrer Sicht jetzt, einige Tage nach dem Restart, die Reaktionen der Gäste auf die Wiedereröffnung und die Covid-19-Auflagen?

Heidrun Müller: Sehr zurückhaltend und zu 90 Prozent verständnisvoll. Die Menschen sind einfach froh, dass sie wieder campen können. Nur Einzelne haben noch nicht verstanden, wann und wie in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen ist. Am schwierigsten ist, dass viele Gäste Empfehlungen und gesetzliche Verordnungen nicht mehr auseinanderhalten können – von den unterschiedlichen Bestimmungen der einzelnen Bundesländer einmal abgesehen.

D.C.I: Wie hat sich die Berichterstattung im Vorfeld der Lockerungen ausgewirkt?

Heidrun Müller: Die Öffentlichkeitsarbeit des ADAC und anderer Organisationen, wie beispielsweise vom Bundesverband der Campingunternehmer, war absolutes Gift für uns Gastgeber am Bodensee. Die voreiligen Aussagen, dass Campingplätze überrannt werden, sind nicht eingetroffen.

D.C.I: Wie ist die aktuelle Belegung seit dem 30. Mai?

Heidrun Müller: Wir sind lange nicht ausgebucht – bestenfalls zu 70 Prozent. In ganz Lindau sind auch Hotels nur zu 70 Prozent belegt – und das ohne einschränkende Gesetze, sondern nur bedingt durch die Unsicherheit der Urlauber. So geht es auch unseren Campingplatzbetreiber-Kollegen am Bodensee. Überall das gleiche Szenario, sowohl in Lindau am Seeufer wie auch in Kressbronn beim badischen Nachbarn in Gohren. Alle klagen über das zurückhaltende Verhalten beim Reisen mit Übernachtung, Tagestouristen gibt es dagegen genügend.

D.C.I: Gibt es spezielle Sanktionen gegenüber Gästen bei Verhaltensübertretungen?

Heidrun Müller: Sollte sich ein Gast nicht an die Verordnungen halten, machen wir von unserem Hausrecht Gebrauch. Grundsätzlich ist der Gast allerdings selbst verantwortlich und muss die bayerischen Verordnungen befolgen. Es schaut auch immer wieder spontan die Polizei vorbei und macht stichprobenartig Kontrollen.

D.C.I: Welche Konsequenzen haben die Beschränkungen für Ihr Team?

Heidrun Müller: Uff, da könnte ich Bücher schreiben, was wir nun alles zu befolgen haben. Interessant ist vielleicht das „Basteln to go“ für die Gäste. Wir versuchen alles kontaktlos zu gestalten. Wir bereiten Aktionen vor und die GITZianer können dann eine Tüte mitnehmen und am eigenen Stellplatz basteln oder sporteln oder spielen. Es gibt auch täglich eine Rallye mit Schnitzeljagden oder Quizfragen, die Kinder dann alleine oder mit ihren Eltern auf dem gesamten Gelände machen können. Videos auf Facebook geben Anleitung und das Aktiv-Team schaut mit Abstand vorbei, zum Beispiel, wenn ein Geburtstagskind zu Gast ist.

D.C.I: Können Sie schon ein paar betriebswirtschaftliche Zahlen nennen?

Heidrun Müller: Eine Million Umsatz fehlt uns jetzt schon. Die können wir auch nicht mehr hereinholen. Auch erleben wir Situationen, dass manche Verträge überhaupt nicht auf solche Situationen ausgelegt sind. Welche finanziellen Folgen das haben wird, lässt sich noch gar nicht abschätzen.

D.C.I: Welche Einflüsse hat die Coronakrise auf Kooperationen?

Heidrun Müller: Veranstaltungen sind verboten, somit sind alle Aktionen der GITZ Hits 2020, die wir mit externen Anbietern veranstalten, abgesagt. Das ist nicht möglich, also dann hoffentlich wieder nächstes Jahr. Einige Partner unterstützen unsere Aktionen „to go“. Campingausstatter, Hersteller, Zubehör-Lieferanten, Freizeitparks und oder lokale Kooperationspartner sind sehr großzügig, obwohl sie selbst unter der Situation zu leiden haben.

D.C.I: Welchen Einfluss hat Covid-19 auf Ihr Engagement auf dem chinesischen Markt?

Heidrun Müller: Beratung findet nur online statt – wie mit allen anderen Kollegen weltweit. Wir tauschen uns über WeChat aus. Internationales Reisen ist ja immer noch weitgehend eingeschränkt.

D.C.I: Was wird die Corona-Krise beim Campen verändern?

Heidrun Müller: Gar nichts. Camping ist eine Philosophie…


Das Interview führte Stefan Blanz von https://tourstory.de

Infos: Zur Webseite des Gitzenweiler Hof