Der französische Markt forderte zu erst handliche und flache Reisemobile: Bürstner baute im Zweigwerk Wissembourg auf Citroën-Basis die ersten Teilintegrierten, die dann auch in Deutschland auf dem Fiat Ducato Premiere hatten. (Foto: Bürstner)

Der französische Markt forderte zu erst handliche und flache Reisemobile: Bürstner baute im Zweigwerk Wissembourg auf Citroën-Basis die ersten Teilintegrierten, die dann auch in Deutschland auf dem Fiat Ducato Premiere hatten. (Foto: Bürstner)

D.C.I.-Meilensteine des Caravaning – Bürstner erfindet das teilintegrierte Reisemobil

Bürstner, D.C.I.-Meilensteine, Historisches, Wohnmobil

Zum Caravan Salon 1987 in Essen stellte die Firma Bürstner mit der T-Reihe als innovative Neuheit einen Teilintegrierten mit Flachbodenchassis vor und schuf damit eine völlig neue Reisemobilgattung. Ein Meilenstein des Caravaning.

Der Flachmann kommt – Bürstner baut als erster Hersteller ein teilintegriertes Reisemobil in Serie

Wir schreiben das Jahr 1987. Der “Dicke aus Oggersheim” wird mit seiner schwarz-gelben Regierungskoalition bei den Bundestagswahlen im Amt bestätigt, Deutschland-West bereitet sich auf den ersten Besuch von Erich Honecker vor und die Barschel-Affäre zieht in Schleswig-Holstein ihre Kreise. Darüber hinaus wird das Jahr 1987 zum „Internationalen Jahr zur Beschaffung von Unterkünften für Obdachlose“ ausgerufen, doch das dürfte Gerhart Bürstner in Kehl sicher nicht zur Konstruktion von teilintegrierten Reisemobilen veranlasst haben. Spaß beiseite, abgesehen von Luxusmobilen und den Hymermobilen sind deutsche Reisemobilfahrer meist in Campingbussen oder kantigen Alkovenmobilen unterwegs. Es dominieren Stuccoblech und die Farben braun und beige im Reisemobilbau.

Vereinzelt tauchen Anfang der 80er Jahre etwas gefälliger designte Reisemobile wie der Dethleffs CD, der Hobby 600, der Reimo M3 oder der Frankia 600 auf, dennoch bleiben teilintegrierte Reisemobile absolute Exoten in Deutschland. Der Verband der Deutschen Wohnwagen-Hersteller VDWH (heute CIVD) charakterisierte 
damals teilintegrierte Reisemobile 
sehr treffend mit folgender Aussage: “Teilintegrierte Reisemobile ohne hohen Aufbau basieren auf einen Transporter-Fahrgestell mit Fahrerhaus, sie sind windschnittig, übersichtlich, alltagstauglich, flott und lassen sich gut rangieren. Auch der Spritverbrauch ist dank eines geringeren CW-Wertes niedriger als bei anderen Typen.”

Bei Bürstner denkt man zu dieser Zeit schon international. Teilintegrierte Reisemobile gehören in Frankreich zu dieser Zeit schon zum gewohnten Bild auf der Straße, der Wohnwagenhersteller Bürstner, der erst ein Jahr zuvor mit dem Bau von Reisemobilen angefangen hatte, plante aufgrund seiner starken Verankerung mit dem Zweigwerk Wissembourg im französischen Markt eine teilintegrierte Baureihe, die auch in Deutschland präsentiert werden soll.

Der Meilenstein: Ein teilintegriertes Reisemobil auf Flachbodenchassis für zwei Personen

Damit ebnete man in Kehl den Weg für eine neue Reisemobilgattung: Das teilintegrierte Reisemobil. Flach, breit, schnell, mit bisher nicht gekannter Straßenlage, gedacht für zwei Personen, die viel Platz und Komfort im Wohnraum wünschen. Diese Eckdaten stehen im Lastenheft der T-Reihe von Bürstner. Die technische Weiterentwicklung kam den Plänen von Bürstner zu Hilfe. Mitte der 80er Jahre waren die Fahrgestelle der damaligen Reisemobile Leiterrahmen mit Starrachsen und Blattfedern.

Fahrwerkspezialist Alko aus Kötz befasste sich schon seit 1979 mit der Optimierung von Reisemobilen und baute entsprechende Fahrwerkslösungen – und schaffte 1985 mit einem innovativen Chassis, dem amc-Chassis für den Fiat Ducato, den Durchbruch. Das Besondere daran war die Leichtbauweise, darüber hinaus erlaubten die variablen Radstände des Rahmens bereits ab Werk eine große Vielfalt von Layouts – und damit maßgeschneiderte Lösungen direkt ab Werk.

All das bietet dem Aufbauhersteller die Möglichkeit, den gesamten Aufbau flacher zu halten und den Eingang ohne große Stufen zu realisieren. Das ermöglichte mehr Raum in der Wohnkabine und obendrein ergibt sich durch die Verwendung einer Einzelradaufhängung und die breitere Spur an der Hinterachse eine deutlich bessere Straßenlage als ein Serienchassis mit einer geringeren Seitenwindanfälligkeit. Konstruktiver Nachteil von Teilintegrierten: Das originale Fahrerhaus ist in den Wohnraum integriert und nur sehr schwer zu isolieren.

Bei Bürstner erkannte man die Gunst der Stunde, Fahrwerksspezialist Alko baute für die Kehler ein superflaches amc-Chassis für den Fiat Ducato, wodurch zu ersten Mal ein flacher Teilintegrierter mit einem ansprechenden Design, der T 620, der staunenden Öffentlichkeit und der Presse zum Caravan Salon 1987 präsentiert werden konnte. Der T 620 glänzte mit einer elegante Hutze über dem Fahrerhaus, war flach, hatte eine breite Spur und einen komfortablen Coupé-Einstieg zum Wohnraum ohne zusätzliche Treppenstufen.

Eine neue Art der Sitzgruppe entsteht

Damit entstand auch die sogenannte Halbdinette. Was im Bereich der Campingbusse zum Standard gehörte, fand nun Einzug in die Aufbaufahrzeuge: Eine Sitzgruppe im Fond mit einer Zweier-Sitzbank und einem Tisch, bei dem die drehbaren Fahrersitze in die Sitzgruppe mit einbezogen wurden.

Der Erfolg gab Bürstner recht

Wie üblich wurde die neue Reisemobilgattung in der Branche zuerst belächelt, der gigantische Erfolg der Bürstner T-Reihe veranlasste aber die meisten Hersteller, innerhalb kürzester Zeit ebenfalls Teilintegrierte in ihr Programm zu nehmen. Der Siegeszug dieser Fahrzeuggattung war nicht mehr aufzuhalten, obwohl sich heute die Bedeutungen der Fahrzeugtypen im Reisemobilbau deutlich verschoben haben und seit Jahren ein starker Boom hin zu kompakten Campingbussen (39,5 Prozent im Jahr 2017) in der Zulassungsstatistik zu verzeichnen ist. Dennoch sind teilintegrierte Reisemobile mit einem Anteil von knapp 36 Prozent (2017) immer noch die Nummer 2 bei den Aufbauarten in Deutschland.

Infos:  Zur Webseite von Bürstner